CF_01_2022_web

FUNDAMENT

Station 6: Das Bild des ge- quälten Jesus ist im Schweiß- tuch abgebildet, das ihm der Legende nach Veronika gereicht hat

Station 8: „Es folgte ihm eine große Menge des Volkes, darunter auch Frauen, die um ihn klagten und weinten.“ (Lk 23, 27)

Station 14: „Josef kaufte ein Lei- nentuch, nahm Jesus vomKreuz, wickelte ihn in das Tuch und legte ihn in ein Grab, das in einen Fel- sen gehauen war.“ (Mk 15, 46)

raum der Kapelle eine besonde- re Wirkung. Es ist zu spüren, wie sehr sich der unbekannte Künstler oder die Künstlerin mit der Härte und Unausweichlichkeit des Lei- denswegs Jesu auseinandersetzt. Ohnehin konfrontiert jede Kreuz- wegmeditation den Betrachter mit eigenen Ängsten, mit Schuld und Versagen, mit Leid und Schmerz, aber auch mit der Hoffnung, dass das Leben mächtiger ist als der Tod. Der Kreuzweg in Maria Einsiedeln lässt nicht unberührt. Er hat nichts auch nur ansatzweise Gefälli- ges. Mit eindrücklichen Gebärden agieren die Figuren auf das We- sentliche reduziert. Die Formen

des Schnitzwerks sind mit klarer Linienführung vereinfacht, um den Ausdruck der Darstellung zu ver- stärken. Nichts lenkt den Blick vom Thema der einzelnen Station ab. Einfühlsam wird Menschlichkeit erfahrbar und drastisch zugleich die Gewalttätigkeit des grausamen Geschehens. Die Dramatik wird nochmals gesteigert durch die tra- pezförmigen Untergrundflächen, aus denen die figürlichen Darstel- lungen herausgeschnitzt sind. Der Betrachter ist hier wie mit da- bei, vor allem in den Stationen der menschlichen Begegnungen, die auf dem Passionsweg gesche- hen. So ist Simon von Cyrene, der Mann, der gerade von der Feldar-

beit kommt, und gezwungen wird, für Jesus das Kreuz zu tragen (vgl. Mt 27,32), als Rückenfigur ausgearbeitet. Man sieht seinen Hinterkopf und nur andeutungs- weise sein Gesicht. Dahinter lässt sich die Absicht erkennen, dass sich der Betrachter selbst in ei- ner Haltung sehen kann, die nach dem Wort der Apostels Paulus dazu auffordert: „Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ (Gal 6,2). Selbst die größte Not wird durch das Mitgehen anderer gelindert – eine grundlegende Erfahrung und ein Hoffnungszeichen auch auf den Kreuzwegen unseres Lebens. (W.A.)

Fotos: Ansgar Bolle, multimediadesign

CellitinnenForum 01 | 2022

33

Made with FlippingBook Ebook Creator