Cellitinnen 2_2017_1

Ort. Mittags wurde das Programm durch Fallbesprechungen und Sta- tionsvisiten sowie Vorträgen und intensivem Gedankenaustausch ergänzt. An einem Arbeitstag machte das Team einen Ausflug in das entle- gene Gesundheitszentrum von Gi- konko, unter der Leitung der deut- schen Kollegin und Benediktinerin Schwester Dr. Uta Düll. Dort konn- ten wir als Kontrast die perfekte Organisation eines NGO-Kranken- hauses unter deutscher Leitung miterleben. Dr. Düll führt dort in einem kleinen Haus mit nur einem OP-Saal und einem Anästhesiepfle- ger praktisch die gesamte unfallchi- rurgische Versorgung der Region durch. Zusätzlich ist die chirurgisch breit ausgebildete Ärztin anerkann- te Anlaufstelle für Patienten mit ‚Wasserkopf‘ (Hydrocephalus). In dem kleinen Haus werden jährlich über 90 Shunt-Operationen durch- geführt. Erneut wurden wir liebevoll empfangen und führten nach einem Rundgang und einem leckeren Mit- tagessen auf der schwäbischen Eckbank der Missionsküche – es gab Gemüse und Obst aus dem eigenen Garten – am Nachmittag mehrere operative Eingriffe gemein- sam durch. Auch das Kennenlernen des so fas- zinierenden Landes durfte natürlich nicht zu kurz kommen. Am freien Wochenende wurde eine Exkur- sion in den Volcano National Park geplant, der an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo liegt. Dort kamen wir freitagabends Ausflüge in der Freizeit

an und konnten bereits samstag- morgens in der Frühe nach einer ausgiebigen Einweisung durch die Wildhüter den Aufstieg zu einer der dort in freier Wildbahn lebenden Berggorilla-Familien beginnen. Nach etwa dreieinhalb Stunden anstrengendem Marsch durch den Bergurwald trafen wir dann in rund 3.000 Meter Höhe tatsächlich auf die 17-köpfige Amahoro-Go- rilla-Familie. Über viele Jahre sind solche Tiere an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt worden. So konnten wir bis unmittelbar an die Gorilla-Familie heran und erlebten wundervolle Momente mit diesen friedlichen Menschen- affen. Tobende Baby-Affen, friedlich dösende Gorilla-Mütter, provokan- te, angeberische Schwarzrücken sowie einen tief entspannten Sil- berrücken. Diese faszinierenden Wesen durften wir für eine Stunde miterleben. Mehr als eine Stunde täglich dürfen die Tiere nicht von Menschen besucht werden und so machten wir uns mit tollen Eindrü- cken im Gepäck an den Abstieg. An einem weiteren Nachmittag be- suchten wir das Kigali Genocide Me- morial Center. Es muss nicht weiter betont werden, wie bedrückend die Stimmung ist, wenn man sich für mehrere Stunden mit Bildmaterial, Videodokumentationen sowie dem Massengrab von über 250.000 dort anonym bestatteten Genozid- Opfern beschäftigt. Man kann sich kaum vorstellen, wie ein Land eine solche humanitäre Katastrophe überhaupt verarbeiten kann. Es ist schwer, dies mit den Menschen dort zu erörtern, da Begriffe wie Genozid, Hutu oder Tutsi nur ungern benutzt

werden. Man spricht kaum über die- se Vergangenheit und versucht, die Normalität der Gegenwart zu akzep- tieren. Sofern es überhaupt möglich ist zu vergessen, dass 1994, durch Propaganda aufgestachelt, Hutus ihre Nachbarn und deren Familie samt Kleinkindern auf grausame Weise umbrachten. Oft lebte man bis dahin freundschaftlich Tür an Tür. Nach zehn Tagen hatte dieser un- glaublich erfahrungsreiche Aufent- halt leider sein Ende. Doch wurde am letzten Tag noch einmal ein ty- pischer ruandischer Markt besucht, um die nun fast leeren Koffer für den Rücktransport mit einheimischen Früchten und Avocados zu füllen. Ruanda ist eine Perle Afrikas. Die Unterstützung der Menschen in diesem kleinen, aber eigenwilligen Land ist jede Mühe wert.

Prof. Dr. Götz Lehnerdt, Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, St. Anna-Klinik, Wuppertal

CellitinnenForum 2/2017 47

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