Cellitinnen 2_2017_1

Titel | Thema

Der Klostergarten im Wandel Vom Nutz- zum Ziergarten

Hätte man noch vor etwa 20 Jahren eine Ausstellung zur Geschichte des Nutzgartens gezeigt, wie es der Landschaftsverband Rheinland zurzeit im Industriemuseum Engels- kirchen macht, dann wäre die Re- sonanz wahrscheinlich sehr über- schaubar gewesen. Heute in Zeiten des ‚Urban Gardening‘, übersetzt des ‚Gärtnerns in der Stadt‘, sieht das schon etwas anders aus. Was für die Großelterngeneration – ganz sicher auf dem Land, aber auch in den ‚Schrebergärten‘ am Rande der Stadt – noch eine Selbstver- ständlichkeit war, ist, nach einer längeren Ruhephase in den letz- ten 20 bis 30 Jahren, jetzt wieder ‚chic‘ – das Gemüse, das im ei- genen Garten, ja sogar auf dem Balkon oder der Terrasse in Pflanz- kübeln und Hochbeeten wächst und gedeiht. Die Motivation, in der Erde zu wühlen und zarte Salat- oder Kohlrabipflänzchen zu hegen und zu pflegen, ist bei diesem Trend aber eine völlig andere. Brauch- ten unsere Großeltern noch einen Garten, um über das Jahr frisches Obst und Gemüse zur Verfügung zu haben oder für den Winter die guten ‚Weck-Gläser‘ mit Mirabel- len, Stachelbeeren, Bohnen und Erbsen zu füllen, können wir heute in den Supermärkten aus dem Vol- len schöpfen: Für das Weihnachts- menü gibt es Frühkartoffeln aus Ägypten, zarte Brechbohnen aus Kenia oder Indien und schließlich

Kloster-Kräutergarten auf der Reichenau

Erdbeeren aus spanischen Treib- häusern. Unter welchen Bedin- gungen sie produziert und für den langen Transport haltbar gemacht und zu welchen Konditionen sie per Schiff oder Lastwagen rund um die Erde transportiert werden, das spielt bei vielen Konsumenten keine Rolle. Hier macht sich nun, nicht nur bei den über viele Jahre belächelten ‚Ökofreaks‘, ein Gesinnungswan- del breit. Heimisches Obst und Gemüse ist auf dem Vormarsch: Erdbeeren gibt es dann, wenn sie im eigenen Garten oder beim Obstbauern um die Ecke geerntet werden können. Pfefferminze oder Heilen mit Kräutern

Zitronenmelisse aus dem Balkon- kübel werden getrocknet und im Winter bei Bauchschmerzen oder allgemeiner Unruhe als Tee getrun- ken. Was plötzlich boomt, hat aber bei intensiverem Hinschauen eine lange Tradition. Gerade die Anwen- dung von Heilkräutern spielt imUm- feld der Klöster eine bedeutende Rolle. Bereits im Mittelalter sind in- nerhalb vieler Klostermauern aus- gedehnte Kräutergärten gepflegt worden. Zusammen mit dem Wis- sen, welches Kraut bei welchem Leiden Linderung verschafft, waren die Klöster Anlaufstelle für kranke Menschen aus der unmittelbaren Umgebung. Neben den Kräuter- gärten gab es in den Klöstern auch ausgedehnte Nutzgärten. Gerade die Abgeschiedenheit kontem-

CellitinnenForum 2/2017 9

Made with