Cellitinnen 3_2015

Glauben | Leben

Wegbegleiter des Lebens XX. Teil Mutter Seraphine Spickermann – Stifterin der Schwestern der Liebe vom Kostbaren Blut

Heimatort der Mutter. Sie hatte zwei kleine Häuser und nutzbare Acker- flächen geerbt. Gertrud war das dritte Kind, vier weitere kamen bis 1830 zur Welt. Ob es die größer werdende Familie war oder andere Umstände eine Rolle spielten – je- denfalls geriet das Leben der Fami- lie Spickermann in eine bedrohliche Schieflage. Die Ehe der Eltern war nach dem Zeugnis des örtlichen Pfarrers zerrüttet. Es gab Streit und Auseinandersetzungen. Adam, der das Schusterhandwerk ausübte, schlug seine Frau. Außerdem gab es auch finanzielle Probleme. Die Mutter hatte versucht, mit dem Mangeln von Wäsche etwas zu verdienen. Im Mai 1839 geschah dann die Katastrophe. An einem Sonntag- morgen wurde die Mutter im Stall aufgefunden, durch massive Ge- walteinwirkung am Schädel ver- letzt, schon nicht mehr bei Be- wusstsein. Ihr war nicht mehr zu helfen. Am frühen Nachmittag starb sie. So eindeutig wie die Zertrüm- merung der Schädeldecke durch die nachfolgende Untersuchung festgestellt wurde, schien ebenso der Täter festzustehen: Alles sprach für – oder besser gegen – Adam Spickermann, auf den die Indizien zweifellos hindeuteten, zumal sein Verhalten, wie wiederum vom da- maligen Pfarrer vermerkt, als „mit- unter nicht zurechnungsfähig“ ein- geschätzt wurde. Jedenfalls blieb

‚Schwere Kindheit‘

Vielleicht kann man sagen, dass sich in diesem Porträt auch etwas von der Lebensgeschichte Gertrud Spickermanns, der späteren Mutter Seraphine, widerspiegelt. In ihrer Biografie verdichten sich tatsäch- lich Erfahrungen von seelischer Not schwer vorstellbaren Ausmaßes, dann aber auch die Gabe des Ver- trauens, das Richtige mit Gottes Hilfe zu tun und den Mut zu haben, Neues zum Wohl von Menschen zu wagen. Heute würden wir sagen, dass Gertrud Spickermann, die am 30. April 1819 geboren wurde, eine ‚schwere‘ Kindheit und Jugend hatte. Sie stammte aus Rheinbach, das heute zum linksrheinischen Teil des Rhein-Sieg-Kreises gehört. Damals war der Ort zwischen Vor- gebirge und Eifelrand durch die neue preußische Obrigkeit zum Sitz der Verwaltung eines Land- kreises bestimmt worden. Die 1816 etwa 1.250 Einwohner lebten von Ackerbau und Landhandel. Gertrud wuchs in einer Familie auf, die in zwar sehr einfachen Verhältnissen lebte, aber immerhin über Eigentum an Grund und Boden verfügte. Die Eltern, Josepha Assenmacher und Adam Spickermann, hatten 1813 in Köln geheiratet. Nach der Ge- burt eines ersten Sohnes zog das Ehepaar nach Rheinbach in den

Von ihrem Porträt geht etwas Be- sonderes aus. Im vergrößerten Maßstab hängt es im Eingangs- bereich des nach ihr benannten Se- niorenhauses in Würselen-Broich- weiden. Die Gestalt der Ordensfrau ist nahezu ganz von der dunklen Schwesterntracht überdeckt. Umso mehr richtet sich der Blick auf die Gesichtszüge der Porträtier- ten. Es ist eine noch junge Frau mit hoch liegenden Wangenknochen und ausdrucksstarken Augen, die am Betrachter vorbei zu blicken scheinen. Ernst und gefasst schaut sie, wie jemand, der die Schatten- seiten menschlicher Existenz kennt und erlebt hat. Andererseits wirkt ihr Antlitz sympathisch und vermittelt den Eindruck von Güte und Warm- herzigkeit.

CellitinnenForum 3/2015 33

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