Cellitinnen_4_2015_final

Glauben | Leben

Orden vor Ort, Teil V Die Kongregation der Dominikanerinnen von Bethanien von Venlo

Die Erneuerung der Kirche geht stets damit einher, dass Menschen nach Vorbild und Auftrag Jesu den Armen und in Not Geratenen helfen, dass Ausgegrenzte und Verachtete wieder Zuspruch und Aufmerksam- keit erfahren. Für viele Gründer und Gründerinnen von Ordensgemein- schaften war dies ein besonderes Herzensanliegen. Das galt auch für den 2012 selig- gesprochenen französischen Do- minikanerpater Jean-Joseph La- taste (1832–1869). Seine Berufung zum Priestertum, die er bereits als Kind hatte, ließ sich zunächst nicht verwirklichen. Als Finanzbeamter in Bordeaux kam er in Kontakt mit den von Frédéric Ozanam gegründeten Vinzenzkonferenzen, einer Laienbe- wegung, die durch gelebte Nächs- tenliebe und konkretes Handeln den vielfach Verelendung auslösenden Umständen des neuen Industrie- zeitalters entgegenwirkte. Mit 25 Jahren trat er dann in den Domini- kanerorden ein und empfing 1863 die Priesterweihe. Im Folgejahr fiel ihm eine Aufgabe zu, der er sich zu- nächst eher der Pflicht geschuldet widmete: Exerzitien für Frauen, die im Zuchthaus von Cadillac in der Nähe von Bordeaux inhaftiert wa- ren. Allerdings musste er seine Vor- urteile durch die konkrete Begeg- nung mit den Bestraften revidieren. Einerseits ging ihm die verzweifelte Lage dieser Frauen und auch deren Jean-Joseph Lataste

Ausgrenzung und Stigmatisierung zu Herzen. Andererseits sah er, wie sehr die Gefangenen offen und be- reit waren für Reue und Umkehr. Er hatte ihnen von Maria Magdalena erzählt, jener Jüngerin Jesu, deren Person in späterer Zeit von der Bibel abweichend mit der namenlosen ‚Sünderin‘ und Maria von Bethanien verschmolzen wurde. Diese Maria

war aber genau das Hoffnungsbild, das die Frauen ansprach, nämlich die bedingungslose Annahme und Vergebung, aber auch die darin enthaltene Zukunftsperspektive: „In einer Nacht, in der alle 400 Frauen mit ihm in der Kapelle beten, kommt ihm eine Vision – was hat Mag- dalena eigentlich getan, nachdem sie Jesus begegnet ist und nun auch nicht mehr von Prostitution leben konnte? Nun, sie hatte eine Schwester in Bethanien, da konnte sie immer hin zurück…“ So heißt es in einer Darstellung der Dominikane- rinnen von Bethanien. Pater Lataste dachte nun praktisch weiter, ob es denn ‚solche Schwestern‘ auch für die aus der Haft entlassenen Frauen geben könne. Daraus entwickelte er die Idee für eine Ordensgemein- schaft, „bei der niemand von außen erkennen kann“, ob eine Schwester vormals inhaftiert war oder nicht. Mit Schwester Henri-Dominique Berthier verwirklichte er 1866 die- sen Gedanken gegen mannigfache Widerstände in dem französischen Ort Montferrand in der Nähe von Besançon. Nach seinem Tod, drei Jahre später, wuchs die Gemein- schaft unter der Leitung von Mutter Henri-Dominique. Weitere Nieder- lassungen wurden gegründet. Auch Frauen aus Deutschland schlossen sich der Kongregation an. Unmittel- bar nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges verließen 13 deutsche Ordensgründung

Jean-Joseph Lataste

26 CellitinnenForum 4/2015

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