Cellitinnen_4_2015_final

Titel | Thema

In Grenzsituationen entscheiden Ethikkomitees und Ethikteams im Kranken- und Seniorenhaus

kann? Täglich werden Mitarbeiter in Kranken- und Seniorenhäusern mit dieser Frage konfrontiert. Sie müs- sen herausfinden, wie der Patient oder der Bewohner entscheiden würde, wenn es keine Aussicht auf Besserung des Krankheitsver- laufs mehr gibt: lebensverlängern- de Maßnahme oder Abbruch der Therapie. Hilfreich sind Patienten- verfügungen, doch in vielen Fällen sind diese in der jeweiligen Situa- tion zu interpretieren. Ein einzelner Mensch, egal ob Arzt, Angehöriger oder Pflegeleitung, wäre überfor- dert, müsste er diese Entscheidung für einen Dritten alleine fällen. An dieser Stelle sind viele Perspektiven gefordert. In schwierigen Situationen helfen die Ethikkomitees und die Ethik- teams. In den Krankenhäusern des Cellitinnenverbundes gibt es ein übergeordnetes Ethikkomitee. Vier Mal im Jahr und zu einer Klausurta- gung kommen Vertreter der Ethik- teams aus den sechs Cellitinnen- Krankenhäusern, ein Vertreter der Geschäftsführungen, ein Jurist, ein katholischer und ein evangelischer Seelsorger unter dem Vorsitz der Ethikreferentin Dr. Sylvia Klauser zusammen. Das Ethikkomitee hat die Aufgabe, hausübergreifend ethische Handlungsempfehlungen zu verfassen, beispielsweise zum Umgang mit Patientenverfügungen. Es gestaltet Fortbildungskurse in Der Patientenwille ist bindend

den Häusern für interessierte Mit- arbeiter sowie die Ethikteams und koordiniert deren Arbeit in den Kli- niken. Die Zahl der regelmäßigen Treffen der Ethikteams ist von Haus zu Haus unterschiedlich. Die Teams setzen sich aus verschiedenen Be- rufsgruppen, Ärzten, Kranken- und Gesundheitspflegern, Mitarbeitern des Sozialdienstes, Seelsorgern und Physiotherapeuten zusammen. Sind Patienten schwerstkrank und ohne eine Aussicht auf Besserung, können die Ethikteams der Kliniken von Mitarbeitern, Patienten oder den Angehörigen beauftragt wer- den, ein ‚ethisches Konsil‘ durch- zuführen. Dabei wird sachlich und unter Berücksichtigung aller medizi- nischer, biografischer und sons- tiger Aspekte versucht, den Willen des Patienten in der besonderen Situation herauszufinden. Auch die Angaben in einer Patienten- verfügung müssen auf die aktuelle Situation bezogen werden. „Steht dort drin, dass der Patient nicht künstlich beatmet werden möchte, gehen wir davon aus, dass dabei eine dauerhafte künstliche Beat- mung gemeint ist, nicht eine kurz- zeitige nach einer Operation“, so Dr. Klauser. „Wenn wir gemeinsam zu dem Schluss kommen, dass der Patient eine weiterführende Thera- pie unter der gegebenen Prognose nicht wünscht, ist es möglich, das Therapieziel zu begrenzen. Dann liegt unser Schwerpunkt darauf,

Laura M. wird mit 35 Kilogramm Körpergewicht ins St. Vinzenz- Hospital eingewiesen. Die 24-Jäh- rige leidet an Magersucht. Eine Zwangsernährung lehnt sie ab. Jonas L., 45, wird schwer verletzt nach einem Unfall ins Wuppertaler Petrus-Krankenhaus eingeliefert. Er muss operiert werden und benötigt eine Bluttransfusion. Aus religiösen Gründen lehnen seine Angehörigen diese ab. Im Seniorenhaus Burg Ranzow in Kleve liegt die 89-jäh- rige Helga S. im Sterben. Wasser in der Lunge setzt ihr arg zu. In einer Patientenverfügung hat sie lebensverlängernde Maßnahmen abgelehnt, ohne über die Möglich- keiten einer palliativen Begleitung informiert zu sein. Wie weit geht die Patientenautono- mie? Was ist zu tun, wenn der Pa- tient sich nicht mehr selbst äußern

6 CellitinnenForum 4/2015

Made with