Cellitinnen 4_2016

Glauben | Leben

mit Blick auf die bevorstehenden Festtage statt- fand und das Fleisch zur Kon- servierung ein- gepökelt wurde. Die ‚Schüler- legende‘ be- gründete das Patronat des hei- ligen Bischofs für die Kinder und besonders für die Schulkinder. In den von Klös- tern betriebenen Schulen entstand seit dem 14. Jahrhundert das Brauchtum der Wahl eines ‚Kin- derbischofs‘ am Nikolaustag, der, wie Werner Mez- ger schreibt, „für einige Stunden über die klösterli- che Gemeinschaft

und sie in den Dienst erbaulicher, ja katechetischer Bemühung zu stellen. So inszenierte man die ‚Ein- kehr‘ des heiligen Nikolaus im Or- nat, der dann die Aufgabe zu über- nehmen hatte, das Verhalten der Kinder auf den Prüfstand zu stellen, um schließlich entsprechend zu belohnen oder eben zu bestrafen. Basis dieses Brauchgeschehens scheint – wie Werner Mezger sehr schlüssig argumentiert „das nach der alten Leseordnung der katho- lischen Kirche für den Nikolaustag am 6. Dezember vorgeschriebe- ne Evangelium von den Talenten (Mt 25,14–23) gewesen zu sein, in dem Angestellte vor ihrem Herrn Rechenschaft darüber ablegen müssen, was sie aus den ihnen anvertrauten Geldmünzen (Talen- ten) gemacht haben.“ Die Asso- ziation ist dann natürlich die von der Übertragung auf die Kinder, die vor dem strenggütigen, bischöf- lichen Examinator Rechenschaft über ihre Talente abgeben oder, wenn es damit hapert, das Gute aber auch das Mangelnde aus einem dicken Buch vorgelesen bekommen. Es bleibt dabei: Die Gestalt des hei- ligen Nikolaus steht trotz vielfältiger Banalisierung und Säkularisierung für die zentralen christlichen Werte der Selbstlosigkeit und Nächs- tenliebe. Der Nikolaustag weist darauf hin, dass Schenken und Be- schenktwerden eine Kunst ist. Vor allem letzteres gilt im Hinblick auf Weihnachten: Dass Gott Mensch wird, bleibt bei aller menschlicher Aktivität in diesen Tagen ein Ge- schenk. Wolfgang Allhorn

In der Bretagne – der hl. Nikolaus mit den drei Scholaren in der Kirche von Pont Croix

‚Schülerlegende‘. Ein habgieriger Wirt habe drei fahrende Schola- ren, die in seinem Gasthaus über- nachteten, im Schlaf getötet, ihren Besitz an sich genommen, die Kör- per zerstückelt und dann in einem Fass eingepökelt. Der hl. Nikolaus habe die Tat bemerkt, als er wenige Tage später ebenfalls in der Her- berge übernachtete, und die Ver- storbenen wieder zum Leben er- weckt. Diese Geschichte hat ihren historisch-mittelalterlichen Kern in der damals auch vor Weihnachten gehaltenen Fastenzeit, wobei am Nikolaustag ein Vorratsschlachten

regieren und eine komische Inver- sion aller Ordnungen herbeiführen durfte. Diese karnevalesken Insze- nierungen der Scholaren arteten mit der Zeit allen Reglementierungsver- suchen zum Trotz immer mehr in nächtliche Lärmumzüge mit einer verkleideten Bischofsfigur aus, die häufig noch von vermummten Teufeln begleitet wurde.“

Rechenschaft ablegen

Tatsächlich scheint es dann nach dem 17. Jahrhundert gelungen zu sein, diese Auswüchse zu ‚zähmen‘

CellitinnenForum 4/2016 31

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