Cellitinnen 4_2016

Kultur | Freizeit

Gaudí und der ‚Modernisme‘ Ein Streifzug durch Barcelona auf den Spuren des Künstlers

Ein zunächst befremdlicher Archi- tekturstil, vor dem ich hier stehe, mitten in Barcelona. Staunend betrachte ich die Gebäude dieser Stadt, ihre Parkanlagen und Gärten. Ich bin bewegt, beeindruckt, kann mich nicht sattsehen an dieser un- gewöhnlichen und zugleich faszinie- renden Architektur, die mich völlig in ihren Bann zieht. Es ist keine Stadt wie New York, Paris, London oder Berlin. Diese Stadt hat ihren eige- nen eigenwilligen Charme, geprägt durch einen außer- und ungewöhn- lichen Künstler. Ein Schöpfer der bildgebenden Kunst: Antonio Gaudí

(1852 – 1926). Durch ein rheumati- sches Leiden ans Haus gebunden, verlief seine Kindheit einsam. Er war ein Einzelgänger, die Natur war sein Verbündeter. Sein dreidimensiona- les, geometrisches Denken wurde durch seinen Vater geprägt, einen Kupferschmied, dessen wichtigstes Postulat lautete: „Mit jedem Mittel- punkt und Abstand kann man einen Kreis zeichnen.“ Das spiegelt sich in den Werken Gaudís wider. Seine Liebe zum Detail, zu Schönheit und Ästhetik sind bis heute in Barcelona allgegenwärtig. Verspielte Rundun- gen, gepaart mit der Natürlichkeit der Bewegungen, machen seine Deckenkonstruktionen und Frei- treppen unverwechselbar. Mit ihm brach eine neue Ära in der Kunst an, der ‚Modernisme‘. Dabei handelt es sich um eine perfektionierte Archi- tektur des Jugendstils, der um 1885 bis1920 in Katalonien neu kreiert und etabliert wurde. Die Zeugnisse dieses einzigartigen Baustils lassen sich in Barcelona bis heute bewun- dern. Sie bilden einen Kontrapunkt zu den damaligen, traditionellen Bauwerken des beginnenden in- dustriellen Zeitalters, die schlicht, einfach und funktionell sind. Gaudí liebte seine Werke, er war von seinen kreativen Leistungen überzeugt. Das Urteil der Architek- turschule, an der er sich bewarb, vernichtete ihn. Seine Professoren sagten: „Wer weiß, ob wir den Ti- tel einem Verrückten oder einem Genie geben.“ Gaudí war zutiefst

verletzt. Einsam und verwahrlost zog er durch die Stadt, wurde von einer Straßenbahn erfasst und in ein Armenkrankenhaus eingeliefert. Dort erlag er seinen Verletzungen. Sein berühmtestes Kunstwerk, die ‚Sagrada Familia‘ (Sühnekirche der Heiligen Familie und Weltkulturerbe der UNESCO), ist bis heute unvoll- endet. Als postume Würdigung hat man den Künstler in ihr beigesetzt.

Dr. Petra Kombächer Heilig Geist-Krankenhaus

56 CellitinnenForum 4/2016

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