CellitinnenForum 1_2019
Glauben | Leben
an seinem Leiden. Da es ihm schlecht geht, da er Schmerz spürt, muss er irgendwo an- ders Schmerz zugefügt haben, ungerecht gewesen sein, un- gläubig und schwach. Von daher rühren manche Weisheiten, die sich bis in unsere Zeiten gerettet haben: „Jeder ist seines Glückes Schmied“ oder „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Denn Gott kann in den Augen der Freunde nicht falsch handeln. Also muss Hiob seinen Schmerz selbst verur- sacht haben. Dieses Schwarz/ Weiß-Denken ist tief in den Menschen verwurzelt. Es fußt auf der Erwartung, in der Welt ginge es gerecht zu, da wäre Die Erfahrung zeigt: Die Welt ist nicht gerecht, sie ist, wie sie ist, ein Neben- und manchmal ein Miteinander ver- schiedenster, teils wi- dersprüchlicher Inter- essen. Darüber setzt sich Hiob mit Gott auseinander. So wie es viele Menschen tun, die in Schmerz, Verlust und Krankheit engagiert, zornig und leidenschaftlich mit Gott streiten. Nach und jemand, der kosmisch imHin- tergrund dafür sorgt, dass das auch eingehalten wird. Auseinandersetzung mit Gott
dem ‚Mama-Papa-Schema‘ und erkennen, dass da oben eben nicht einer für alles sorgt, sondern ER die Welt in die Freiheit der Eigenverant- wortung entlassen hat. Jeder von uns, so lernt Hiob, ist verantwortlich für sein Tun undWohlsein hat nichts mit Moral zu tun, sondern ist eine Frucht des Vertrauens, dass jeder in dieser Welt von Gott geliebt ist. Diese Liebe wird nicht widerrufen und auch in einer unheilen Welt hält Gott es mit uns aus. Und teilt alles mit uns: den Zorn, die Ungerech- tigkeit, den Schmerz und die Hoff- nung. Weil Hiob das begreifen und verschmerzen kann, wird er heil an Leib und Seele. Der Schlussteil des Hiob-Buches zeigt den Protagonisten als einen völlig veränderten Menschen. Der Weg durch seinen Schmerz, seine Verluste, die Kraft im Streiten und Zweifeln hat ihn letztlich stärker gemacht. Was er vorher besaß, verdoppelt sich. Er gewinnt neue Wertmaßstäbe für das Leben, wenn er die Schönheit seiner Töchter er- kennt und ihnen das gleiche Erbteil gibt wie den Söhnen. Er sorgt im Angesicht Gottes für die Gerechtig- keit auf Erden. Der Schmerz hat ihn dazu befähigt. Alles ist gut Wenn das Notwendige getan und das Überflüssige verworfen, wenn das Zuviel verschenkt und das Zuwenig verschmerzt ist, wenn alle Irrtümer aufgebraucht sind, kann das Fest des Lebens be- ginnen. (Wolfgang Poeplau)
nach be- freien sie sich von
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Hiob-Skulptur auf dem Frankfurter Hauptfriedhof
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