CellitinnenForum_3_2019

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„Wenn ich nicht mehr reden kann…“ ‚Behandlung im Voraus planen (BVP)‘ dokumentiert den Patientenwillen

situationen zu sprechen kommt. Was ist, wenn eine medizinische Behandlung keine Aussicht mehr auf Besserung der Lage verspricht? Sollen in einer lebensbedrohlichen Krise Notfall- und Intensivtherapie eingeleitet werden oder gibt es Si- tuationen, wo dies nicht gewünscht wird? Wie steht der Bewohner zu künstlicher Ernährung? Soll die Sterbephase im Gebet begleitet werden? – Diese und ähnliche Fra- gen sprechen die Berater offen an. „Über das eigene Sterben nach- zudenken und so offen darüber zu sprechen, ist nicht einfach“, weiß BVP-Gesprächsbegleiterin Sabine Westerfeld. „Oft erlebe ich bei den Bewohnern aber eine Erleichterung, es dann doch getan zu haben und zu wissen, dass im Fall der Fälle ihr Wille zählt.“ Solange die Bewohner einwilligungsfähig sind, kann die erweiterte Patientenverfügung auch jederzeit widerrufen oder geändert werden. Der BVP Prozess umfasst mindes- tens zwei ausführliche Gespräche, die rund anderthalb Stunden dau- ern. Anschließend fasst der Berater die Ergebnisse schriftlich zusam- men und alle Beteiligte unterschrei- ben das Dokument. „Es ist wichtig, dass neben den Bewohnern auch Angehörige und Vorsorgebevoll- mächtigte teilnehmen. Das gibt allen Beteiligten mehr Sicherheit und erweitert den Blickwinkel auf bestimmte Fragen“, erklärt Wes- terfeld.

mit den gesetzlichen Krankenkas- sen einen Vertrag zur Refinanzie- rung der Gespräche schließen. Ge- schulte Gesprächsbegleiter können dann die Bewohner dabei unter- stützen, den eigenen Willen in Be- zug auf Behandlungsmöglichkeiten herauszufinden, für den Fall, dass sie diesen nicht mehr selbst äußern können. Das BVP-Konzept geht in Umfang und Detailgenauigkeit sehr viel weiter als eine gängige Patien- tenverfügung. Die ‚gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase‘ ist zeitintensiv, denn nicht immer liegen die Wünsche klar auf der Hand. Die Gesprächs- begleiter tasten sich behutsam vor, erforschen zunächst die Einstel- lung des Bewohners zum Leben, zu Krankheit und zum Sterben. Dabei spielen auch religiöse oder spiri- tuelle Überzeugungen eine Rolle, bevor man auf konkrete Notfall-

Und plötzlich steht man vor der Ent- scheidung: Wie hätte meine Mutter, mein Vater in diesem konkreten me- dizinischen Fall entschieden? Eine lebensverlängernde Behandlung, eine weitere Operation? Wenn der Angehörige nach dem Schlagan- fall oder dem Herzinfarkt nicht bei Bewusstsein ist und doch nur reden könnte. Viele Menschen haben für solche Fälle eine Patientenverfü- gung erstellt, aber genügt diese überhaupt noch den gesetzlichen Anforderungen und hilft sie in einer speziellen Situation weiter? Der Gesetzgeber hat das Problem erkannt und den Willen der Bewoh- ner von Pflegeeinrichtungen der Al- ten- und Behindertenhilfe im Hos- piz- und Palliativgesetz gestärkt. Durch die Möglichkeit, eine ge- sundheitliche Versorgungsplanung anzubieten, können Einrichtungen

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