Vitamin K 1-2019

Neues aus der Medizin

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weinerlich. Oder ein sehr geduldiger Mensch wird plötzlich ungehalten, laut oder gar aggressiv“, nennt Martin Rößler Beispiele. „Zutiefst verstörend wirkt es, wenn beispielsweise ein Mann seine Ehefrau oder die eigenen Kinder verwech- selt. Oder wenn der Patient fantasiert und wirre Geschich- ten erzählt.“ Den Angehörigen macht das Angst und sie haben dann das Gefühl: Das ist nicht mehr der Mensch, den ich kenne. Geborgenheit und Orientierung geben Tritt ein postoperatives Delir auf, ist es ganz wichtig, die Angehörigen einzubeziehen. Je besser diese Bescheid wissen, desto eher können sie ihre Liebsten unterstützen. „Druck rausnehmen, Geborgenheit und Vertrautheit vermitteln und mit klarer Ansprache für Orientierung sorgen“ – nach diesen Leitlinien handelt auch das Pflegepersonal, das sich auf Pati- enten mit besonderem Zuwendungsbedarf eingestellt hat. „Es sind Kleinigkeiten, die helfen“, so der Experte Rößler. Dazu gehören die korrekte Funktion von Brille, Gebiss oder Hörgerät sowie die richtige Beleuchtung. Am Tag solle das Licht nicht zu grell sein, nachts dunkel bzw. so, wie es der Patient gewohnt ist. Bei einem Besuch seien ruhige Musik oder ein Spaziergang erlaubt. Rößler: „Wichtig ist, die individuellen Bedürfnisse zu respektieren und auch ernst zu nehmen. Gerade in Köln wissen wir: Jeder Jeck ist anders.“ Aufklärung und Prävention Prävention beginnt am besten schon zuhause. Die Patienten und ihre Angehörigen erhalten Informationen und Check- listen und können sich im Idealfall auf den stationären Aufenthalt vorbereiten. „Für das Arzt-Patientengespräch nehmen wir uns viel Zeit und erklären, was auf den Pati- enten zukommt“, beschreibt Rößler die Abläufe. Abgeklärt werden auch Risikofaktoren wie eingenommene Medika- mente, Alkohol- und Tabakkonsum und mögliche trauma­ tische Erfahrungen bei früheren Operationen. „Wir ver­ suchen, im Gespräch Vertrauen auf- und Angst abzubauen“, fasst Rößler zusammen. Wenn der Patient angstfrei in die Narkose gehe, sei auch das Aufwachen viel entspannter.

ganz wichtige Rolle spielen: Gerade die menschliche Be- treuung sei ein wichtiger Pfeiler im Delirmanagement, sagt er. Je ruhiger und zuversichtlicher der Patient in die Narkose gehe, desto besser ist das für seine psychische Verfassung. „Vor der Narkose muss man heute keine Angst haben“, beruhigt der Anästhesist deshalb gerade die älteren Patien- ten. Dank moderner Narkosemittel und apparativer Über- wachung sei beispielsweise die Sorge unbegründet, während der Operation aufzuwachen. „Die Narkosen sind heutzutage schmerzfrei, sicher und werden von den Patienten gut ver- tragen“, erklärt Rößler. Delir mit Wahnvorstellungen Dennoch bestehe für Patienten ab 65 Jahren ein erhöhtes Risiko, nach einer Narkose ein Delir zu erleiden. Darunter versteht man einen Zustand geistiger Verwirrung mit Desorientierung und teilweise auch Halluzinationen. Ein Delirium kann innerhalb weniger Stunden nach dem Erwa- chen, mitunter auch erst am zweiten oder dritten Tag nach der Operation auftreten und mehrere Tage anhalten. Die Symptome sind sehr unterschiedlich und können in ihrer Intensität und den Erscheinungsformen im Tages­ verlauf wechseln. Neben Wahnvorstellungen (etwa Dinge wahrnehmen, die nicht der Realität entsprechen) können bei einem Delir Wesensveränderungen auftreten. „Da zieht sich eine sonst lebhafte Person zurück, reagiert ängstlich und Die Narkose Was gibt es vorher zu beachten? • Am Morgen nicht schminken oder eincremen. Nagellack oder künstliche Fingernägel, Schmuck, (Ohr)Ringe, Piercings entfernen. • Keine Kontaktlinsen anziehen, Zahnprothesen heraus- nehmen, Brille im Zimmer lassen. • Tun Sie sich den Gefallen und hören Sie einige Tage vorher mit dem Rauchen auf, besser sogar vier bis acht Wochen vorher. Nikotingenuss kann zu Komplikationen nach der OP führen, die Wundheilung ist dadurch schlechter. Laut Studien haben etwa 28 von 100 ope- rierten Rauchern nach dem Eingriff Probleme. • Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über alle Medikamente, die Sie einnehmen – auch rein pflanzliche Präparate! • Eine ausgewogene, gesunde Ernährung hilft dem Körper beim Heilungsprozess und verringert das Risiko von Komplikationen. Eiweiß unterstützt das Immun- system, Gemüse liefert Vitamine und Nährstoffe. Auf Fleisch und Hülsenfrüchte sollten Sie zwei Tage vorher verzichten, auch Alkohol ist tabu.

Foto: © WavebreakMediaMicro/Adobe Stcock

Entspannt durch die Narkose Nach einer Operation können gerade ältere Patienten als Folge der Narkose in einen Zustand geistiger Verwirrtheit geraten. Diesem postoperativen Delir, so der medizinische Fachbegriff, widmet man heute sehr viel Aufmerksamkeit und versucht, das Delir nach Möglichkeit zu verhindern. Im St. Franziskus-Hospital ist Martin Rößler, Ärztlicher Projektleiter für Delir- und Demenzmanagement, Spezialist für dieses Thema.

Ärztlicher Projektleiter Martin Rößler Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie Tel 0221 5591-1762

lisiert. Er kümmert sich speziell um die Bedürfnisse von älteren Patienten vor, während und nach einer Operation. Daneben bietet er Beratungsgespräche für Angehörige und Fortbildungen für Ärzte und Pflegepersonal an. Martin Rößler weiß, dass bereits vor der Narkose vertrauensvolle Gespräche, das Beruhigen und Eingehen auf Ängste und Befürchtungen der Patienten und auch Angehörigen eine

Früher hat man die Verwirrtheitszustände nach einer Opera­ tion als Durchgangssyndrom bezeichnet und nicht weiter beachtet. Heute widmet man dem postoperativen Delir viel Aufmerksamkeit, um solche Zustände klar zu diagnostizie- ren, zu mildern und möglichst zu verhindern. Martin Rößler ist Facharzt für Anästhesie am St. Franziskus-Hospital und hat sich auf das Delir- und Demenzmanagement spezia-

anaesthesie.kh-franziskus@cellitinnen.de www.stfranziskus.de

St. Franziskus-Hospital | Köln-Ehrenfeld

Vitamin K – Das Gesundheitsmagazin für Köln – Ausgabe 2.2020

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