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extreme Gefühlszustände wie Traurigkeit oder Aggression. Dazu kommt, dass die Motivation in nerhalb der Gruppe immer wieder neu angeregt werden muss. Manchmal sitzen die Patienten einfach nur auf dem Boden und lassen sich nicht motivieren – das ist natürlich auch in Ordnung, denn es gehört zum Prozess. Die Gruppe muss immer wieder durch Fremdmotivation aktiviert werden. Es ist auch wichtig, Geduld mit den Pa tienten zu haben und zu akzeptieren, dass nicht jeder Tag gleich verläuft. Ich hoffe, dass die Sporttherapie auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil der Behandlung bleibt. Tatsächlich könnte ihre Bedeutung sogar noch wachsen. Sport bietet einen schnellen Zugang zu den Patienten, und durch die Beobachtung im Sport kann man viel darüber erfahren, wie sie in Gruppensituationen reagieren – etwa, wie sie mit großen Räumen oder lauten Geräu schen umgehen. Besonders wichtig ist auch das Zusammenspiel zwischen Sporttherapie und anderen Therapien wie Kunst-, Musik- oder Er gotherapie. Diese Interdisziplinarität fördert die ganzheitliche Behandlung der Patienten und trägt zu deren umfassender Genesung bei. Bestandteil der Behandlung bleibt. Tatsächlich könnte ihre Bedeutung sogar noch wachsen. « « Wie sehen Sie die Zukunft der Sporttherapie in der psychiatrischen Behandlung? Ich hoffe, dass die Sporttherapie auch in Zukunft ein wichtiger
ist die Sporttherapie ebenfalls sehr hilfreich. Sie erhalten neue Reize, die ihre Ängste herausfor dern, und lernen, mit Versagensängsten umzu gehen. Welche Sportarten und körperlichen Aktivitä ten werden in der Sporttherapie durchgeführt? In der Sporttherapie arbeiten wir immer in Grup pen. Die Aktivitäten reichen von Krafttraining über Fahrradergometer und Rückenschule bis hin zu Gruppenspielen beim Frühsport. Im Som mer machen wir auch Fahrradtouren. Der Grup penzusammenhalt ist hier ein wichtiger Faktor, da der soziale Austausch während des Sports förderlich für die Genesung ist. Wie werden die Intensität und der Umfang der sportlichen Betätigung an die individuellen Be dürfnisse der Patienten angepasst? Wir gehen auf jeden Patienten individuell ein und schauen genau, was er oder sie leisten kann, abhängig von Faktoren wie Alter, Gewicht und Fitnesszustand. Pausen sind jederzeit möglich, wenn jemand eine Auszeit braucht. Bei gut funk tionierenden Gruppen kann es sogar vorkom men, dass wir die Gruppe einmal alleine lassen, das heißt, ich sitze im Büro und beobachte aus der Distanz, wie die Patienten mit der Situation umgehen. So sehen wir, wie sich die Gruppen dynamik entwickelt und wie die Patienten auf Herausforderungen reagieren. Welche positiven Effekte auf die psychische Gesundheit können durch Sporttherapie erzielt werden? Es gibt viele positive Effekte: Zum einen verbes sert sich die körperliche Fitness, was die Belast barkeit steigert. Zum anderen profitieren die Patienten von der sozialen Interaktion in der Gruppe, was das Gemeinschaftsgefühl stärkt und das Wohlbefinden fördert. Die regelmäßige Bewegung trägt zudem zu einer besseren Stim mung und mehr Lebensfreude bei. Welche Herausforderungen treten bei der Sporttherapie auf? Eine der größten Herausforderungen ist die Emo tionsregulation der Patienten. Sie erleben oft
Sporttherapie in der Psychiatrie Ein Interview mit Petra Kuberna, Diplomsportlehrerin mit Schwerpunkt Rehabilitationssport.
Antriebsregelung, der Strukturierung des All tags und fördern das Regelverhalten. Patienten üben Geduld – etwa, wenn etwas nicht sofort gelingt, motivieren wir sie, weiterzumachen. Au ßerdem spielen Körperwahrnehmung und Frus trationstoleranz eine große Rolle. Die Patienten müssen verstehen, warum sie manche Dinge nicht sofort schaffen und welche Defizite sie überwinden müssen. Die Grundaktivierung des Körpers ist ebenfalls ein entscheidender Punkt. Die Patienten kommen in der Regel vier bis fünf Mal die Woche zum Sport. Welche psychischen Erkrankungen können be sonders von der Sporttherapie profitieren? Grundsätzlich profitieren alle Krankheitsbilder aus der Psychiatrie und Psychotherapie von der Sporttherapie. Besonders deutlich wird der Nutzen bei Suchtpatienten, die beim Sport ihre überschüssige Energie loswerden können. De pressive Patienten erleben durch die körperliche Aktivität eine Antriebssteigerung und merken nach der Stunde, dass sie fitter sind – was oft eine Stimmungsaufhellung zur Folge hat. Bei Persönlichkeitsstörungen lernen die Patienten, Regelverhalten zu entwickeln, da sie Schwie rigkeiten haben, Strukturen und Regeln zu er kennen und beizubehalten. Für Angstpatienten
Frau Kuberna, könnten Sie uns einen Überblick darüber geben, wie Sporttherapie in der Psych iatrie angewendet wird? Die Sporttherapie in der Psychiatrie verfolgt vor allem das Ziel der ‚antidepressiven Aktivierung‘. Dabei geht es nicht um Leistung, Training oder Bewertungen. Vielmehr steht die Mobilisierung der Patienten im Vordergrund, um ihnen zu hel fen, wieder aktiv zu werden und ihre Beziehung zum eigenen Körper neu aufzubauen. Ein wich tiger Bestandteil ist auch die Gesundheitsschu lung, bei der wir den Patienten erklären, warum Bewegung so wichtig ist. Wir arbeiten an der
Vielen Dank für das Gespräch! (A.H.)
Foto: Getty Images
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