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THEMA
Dann geht es viel um Psychologie …
gelrechte ‚Diätkarrieren‘, bei de- nen sich das Gewicht von Diät zu Diät weiter hochschaukelt. Hat die Art der Lebensmittel Einfluss auf die Kalorienauf- nahme? Es gibt Untersuchungen, dass bei der Aufnahme von Fertig- nahrungsmitteln eine stärkere Gewichtszunahme zu verzeich- nen ist, als dies vom Kalorien- gehalt zu erwarten gewesen wäre. Darüber pauschale Aus- sagen zu machen, ist aber sehr schwer. Auch die Wechselwir- kungen zwischen Energiezufuhr und Blutzuckerspiegel ist höchst komplex. Man kann auch nicht sagen, Fette sind die Bösen und Kohlenhydrate sind die Guten. Leider gibt es da keine einfa- chen Rezepte. Wie sieht die Ernährungsbera- tung im Rahmen der multimo- dalen Therapie aus? Wir geben Ernährungsempfeh- lungen, das sind die Basics. Viel wichtiger ist aus meiner Sicht, dass wir die Patienten dazu brin- gen, ihr Essverhalten zu reflektie- ren: Wie viel esse ich eigentlich? In welchen Situationen esse ich viel? Wie kaufe ich ein? Koche ich selbst und mit welchen Zu- taten? Dazu führen die Patien- ten Ernährungsprotokolle. Auch Genuss-Trainings und Achtsam- keitsübungen gehören zum mul- timodalen Programm. Die Pati- enten lernen, wie Obst, Gemüse oder Schokolode schmecken und was sie gut sättigt.
sen. Adipositas-Patienten ist die- ses rechte Maß oft völlig verloren gegangen.Da geht es dann in der Therapie auch darum, eine Vor- stellung von realistischen Portio- nen zu entwickeln. Drei Brötchen und sechs Eier zum Frühstück, so wie man das in manchen Er- nährungsprotokollen liest, sind eben keine normale Portion. Welche modernen Ernährungs- trends gibt es und wie wirken diese sich aus? Einen bedenklichen Trend, den ich sehe: Alles soll schnell gehen und muss bequem sein. Vielen ist es schon zu viel Arbeit, Ge- müse und Obst zu waschen und zu schälen. Den Smoothie aus dem Supermarktregal kann ich einfach kaufen und muss nicht mal mehr kauen. Viele Lebens- mittel sind künstlich aromatisiert und übermäßig verarbeitet. Ei- nen Gegentrend sehe ich auch: Gerade im Lockdown haben viele die Lust am Selbermachen entdeckt: Brot backen, Obst ein- wecken, Gurken einlegen – ich bin gespannt, ob dieser Trend sich nach Corona hält. Unse- re Patienten neigen aber eher zur Bequemlichkeit. In unseren Sprechstunden sehen wir viele Patienten, die im Lockdown wie- der zugenommen haben. Also könnte man sagen: Bequemlichkeit macht dick? Ja, so könnte man das sagen.
Richtig, es geht um das be- wusste Wahrnehmen und letzt- lich um eine dauerhafte Ände- rung des Verhaltens. Deshalb ist in dem Programm Verhal- tenstherapie integriert. Die Psy- chologen arbeiten an Themen wie dem ‚emotionalen Essen‘. Viele Adipöse essen aus Frust und Langeweile. Oder sie fallen unter Stress in alte Essgewohn- heiten zurück. Hier braucht es dann Strategien. Zum Beispiel, dass ich bestimmte Lebensmit- tel gar nicht erst einkaufe. Oder dass ich andere Mittel als Essen finde, wenn ich Stress abbauen muss. Bewegung ist natürlich wichtig. Außerdem gibt eine ganz altmo- dische Regel: Maß halten! Man darf alles essen, aber bitte in Ma- ßen. Ein schönes Eis an einem Sommertag ist ein Genuss, aber bitte nicht jeden Abend vor dem Fernseher eine Packung Eis es- Gibt es eine Formel, wie man sein Gewicht hält?
Vielen Dank für das Gespräch! (I.G.)
Ursula Zock
CellitinnenForum 03 | 2021
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