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FUNDAMENT

angesichts der schlimmen Situa tion der Menschheit und des von ihr ausgebeuteten Planeten Erde Erntedank zu feiern? Gar um die Gottheit gnädig zu stimmen für zu künftige Ernten, damit bloß alles so bleiben kann, wie es ist, und wir die Verantwortung für unser Han deln an eine höhere Instanz wei terhin abtreten können? Ich meine, wir dürfen und sollen Erntedank feiern; nicht nur, weil es uns – global betrachtet - im mer noch besser geht als den meisten Menschen weltweit. Auch nicht aus liebgewonnener Traditi on und Stolz auf unsere berufli chen Leistungen, auch außerhalb der Landwirtschaft. Sondern weil tief empfundener Erntedank uns bescheiden und demütig machen kann: gegenüber Gott und gegen über den Mitmenschen, die mit ih rem Fleiß zum Gelingen unseres Miteinanders beitragen, ebenso wie die Mitgeschöpfe: Tiere und Pflanzen, so wie der ganze vom

Menschen ausgebeutete Pla net. Bescheidenheit, Demut und Rücksichtnahme im Bewusstsein um die eigenen Grenzen sind der wirksamste Beitrag, den jeder von uns beitragen kann, damit diese von Gott „gut geschaffene“ Welt (Gen 1,31) eine Zukunft hat. Dann werden wir gewissermaßen „von selbst“ ein dankbares Herz bekommen für all das Gute und Schöne, das wir als Geschenk erfahren dürfen, nicht als etwas, von dem wir meinen, dass es uns, warum auch immer, zusteht. Eine grundsätzlich dankbare Le benseinstellung kann uns auch gerade angesichts persönlicher wie allgemeiner Not durch alle Finsternisse führen. Eine solche Dankbarkeit wird Erntedank nicht nostalgisch feiern, wie ich es in meiner Düsseldorfer Heimat er lebt habe, sondern als Aufgabe, unser Leben wie unsere Welt so zu gestalten, dass sie eine Zu kunft hat. (R.N.)

Pfarrer Dr. Reiner Nieswandt leitet seit 2019 die Katholische Krankenhausseelsorge in Wup pertal. Er hat unter anderem ge schrieben: „Reißt diesen Tempel nieder – Anstöße für eine andere Kirche“ (2019) und „Befreit. Gott – von der Enge in die Weite“.

CellitinnenForum 03 | 2022

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