CF_2020_2

KOMPETENZ

KOMPETENZ

Was tun, wenn Kinder Übergewicht haben? Das 11. Köln-Ehrenfelder Adipositas-Symposium befasste sich mit ausgeprägtem Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen.

5,9% der jungen Menschen zwischen 3 und 17 Jahren sind adipös

In Deutschland sind 5,9% der jungen Menschen zwischen 3 und 17 Jahren adipös. Dieser Anteil ist im Vergleich zu den Daten von 2003-2006 etwa gleichgeblieben. Was uns Jugend- mediziner jedoch mit großer Sorge erfüllt: Die Zahl der extrem adipösen Kinder und Ju- gendlichen steigt! Und eine Reduktion der Prävalenz (Rate) konnte in den letz- ten Jahren eben- falls nicht erreicht werden.

tet sich an Eltern und Kinder von 8–16 Jahren, bei denen deutliches Übergewicht mit einem Body Mass Index (BMI) über der 99,5 Perzen- tile vorliegt. (Das heißt, die Betrof- fenen haben einen höheren BMI als 99,5 % der Gleichaltrigen.) In dem Programm lernen Kinder und Eltern mit Sport- und Bewe- gungsförderung, Ernährungs- und Verhaltensumstellung, wie sie zu einem gesunden Essverhalten kommen. Vorausgesetzt, die Teil- nehmer kommen regelmäßig zu Einzelgesprächen und Gruppen- sitzungen. „Nur mit einem hohen Maß an Motivation und Verände- rungsbereitschaft der ganzen Fa- milie wird die Therapie erfolgreich sein“, erläutert die Gastreferentin. Es ist schwer, auf konservati- vem Weg dauerhaft an Gewicht zu verlieren. Zu den Beratungs- gesprächen im St. Franziskus- Hospital kommen übergewich- tige Jugendliche, die schon als Teenager jahrelang mit Pfunden gekämpft haben: Fehlgeschla- gene Versuche mit Diät- und Fit- nessprogrammen, soziale Aus- grenzung und Mobbing waren die Folge. Viele Adipositas-Patienten sind in einen Teufelskreis aus ge- ringem Selbstwertgefühl, Frust- und Trostessen, Unbeweglichkeit, Rückzug, Schuld- und Scham- gefühlen geraten. Oft ist es erst durch eine multimodale Therapie DIÄTEN ERFOLGLOS

G astreferentin Dr. Michaela Plamper von der Univer- sitäts-Kinderklinik Bonn beleuchtete das Thema Adipo- sitas aus Sicht der Kinder- und Jugendmedizin. Ihr Ehemann, Dr. Andreas Plamper vom Exzellenz- zentrum für Adipositas-Chirurgie am Kölner St. Franziskus-Hospi- tal, stellte aktuelle Erfahrungen zu bariatrischen Operationen bei jungen Patienten vor. In Deutschland sind 15,4% der jungen Menschen zwischen 3 und 17 Jahren übergewichtig, 5,9% adipös. „Dieser Anteil ist im Vergleich zu den Daten von 2003– 2006 in etwa gleichgeblieben“, berichtet Dr. Michaela Plamper. „Was uns Sorge macht: Die Zahl der extrem adipösen Kinder und Jugendlichen steigt!“ Viele junge Patienten zeigen bereits gravie- rende Folgeerkrankungen. Dazu zählen Bluthochdruck, Diabetes Typ 2, die Schädigung von Gelen- ken sowie die Ausbildung einer Fettleber schon in jungen Jahren. Auch die Rate an Depressionen, Angst- und Esstörungen ist deut- lich erhöht.

VIELFÄLTIGE URSACHEN

Adipositas ist eine chronische und multifaktorielle Erkrankung, die wir derzeit nicht heilen können. Ein wichtiger Thera- piebaustein sind bariatrische Opera- tionen, die derzeit am effektivsten bei der Gewichtsre- duzierung helfen. Minderjährige Patienten werden

Selten sind es einzelne Gendefek- te oder bestimmte Syndrome, die für Adipositas verantwortlich sind. Häufiger sind multifaktorielle Er- krankungen, die sehr stark durch einen ungesunden Lebensstil be- stimmt sind: kalorienreiches Es- sen in zu großen Portionen; Fast- food mit geringem Nährstoffgehalt und emotionales Essen über das Hungergefühl hinaus. Negativ wir- ken sich Bewegungsmangel, ex- zessiver Medienkonsum und zu wenig Schlaf aus. Kinder, die aus Familien mit einem niedrigen so- zioökonomischen Status kommen, haben ebenso wie Kinder von adi- pösen Eltern, ein höheres Risiko, eine Adipositas zu entwickeln.

in Verbindung mit einer bariatri- schen Operation (Chirurgischer Eingriff, der die Reduktion des Körpergewichts erleichtert) zu schaffen, aus diesen Mustern auszubrechen.

BARIATRISCHE OPERATIONEN ALS ULTIMA RATIO

„Die Datenlage zu bariatrischen Operationen bei Minderjährigen ist dünn,“ konstatiert Dr. Andreas Plamper. In den letzten 15 Jahren wurden im Adipositaszentrum am St. Franziskus-Hospital rund 3.000 dieser Operationen durchgeführt, davon waren nur drei Patienten minderjährig. Auch international gibt es nur wenig Erfahrung, so dass über den Therapieerfolg kei- ne verlässlichen Aussagen getrof- fen werden können. „Eine Operati- on bei Jugendlichen ist als Ultima Ratio sicherlich besonders gründ- lich abzuwägen.“

allerdings sehr selten operiert.

MULTIMODALE THERAPIE

So komplex wie die Ursachen für Adipositas sind, muss die Thera- pie an verschiedenen Hebeln an- setzen. Das ambulante Programm ‚Durch Dick und Dünn‘ an der Uni- versitäts-Kinderklinik Bonn rich-

Dr. Michaela Plamper Universitäts-Kinderklinik Bonn Bereich Kinderendokrinologie/ Diabetologie, Programm „Durch Dick und Dünn

Dr. Andreas Plamper Leitender Oberarzt am Exzellenz- zentrum für Adipositaschirugie am St. Franziskus-Hospital

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CellitinnenForum 02 | 2020

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