Cellitinnen 1_2020

Glauben | Leben

Familien. Zum anderen imponierte ihm die Art und Weise, wie Kirche in den entlegenen Dörfern Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas funktio- nierte: „Die Familien versammelten sich zum Gebet in einem der Häu- ser vor dem Kreuz. Teilweise sahen die Dörfer mehrere Jahre keinen Priester, und doch waren Glaube und Frömmigkeit lebendig. Die Taufen übernahmen ausgebildete Katecheten.“ Die Erfahrung, dass Missionsgebie- te nicht nur im fernen Afrika liegen, machte Pater Kratz bereits während seiner Zeit in der Gemeindepastoral in der hessischen Diaspora rund um Wetzlar. Im Laufe eines Seminars, in dem sich 15 – 20 Getaufte an dreißig Abenden über den eigenen Glauben austauschten, entstanden kleine christliche Gemeinschaften. Und auch im Seniorenhaus weht für ihn der Geist der Kirche: im Mitein- ander von Bewohnern, Mitarbeitern und anderen Ordensgemeinschaf- ten, im Respekt füreinander und dem gemeinsamen Einsatz für ein Leben in Fülle. „Hilfe fand ich im Gebet“ – 60 Jahre ‚Schwestern der ‚Liebe vom Kostbaren Blut‘ auf Sumba Die über 80-jährige Schwester Mar- tha, die im Kloster am Senioren- haus Serafine in Würselen-Broich- weiden lebt, spannt den Bogen von ihrer Ausbildung als junge Kranken- schwester zu Beginn der sechzi- ger Jahre über die Pionierarbeit auf Sumba bis in ihren heutigen Alltag.

gangen, und hatten ein kleines Schwesternhaus bezogen, von dem aus sie ihre Arbeit in der Ver- sorgung der Kranken übernahmen. Sr. Felizitas eröffnete eine Haus- haltsschule und Sr. Martha machte eine Poliklinik auf, in einem Land, in dem es mehr oder weniger an allem mangelte. Der Aufbau einer medi- zinischen Grundversorgung sowie die Hygiene waren ein Herzensan- liegen der Schwestern. „Sumba ist so groß wie das heutige Belgien“, beschreibt Sr. Martha das Einzugs- gebiet der Poliklinik, „und wir hatten an einem Tag bis zu 400 Patienten. Da war es gut, dass viele Helfer aus der einheimischen Bevölkerung bei Felizitas in Hygiene und Pflege geschult werden konnten, sonst hätten wir dem Ansturm der hil- fesuchenden Menschen gar nicht gerecht werden können.“ Das Engagement der Schwestern trug Früchte. Immer mehr einheimi- sche Frauen konnten für den Orden und die medizinisch-pflegerische Arbeit gewonnen werden. Es entwi- ckelte sich aus der anfangs kleinen Gruppe eine einheimische Gliede- rung der Kongregation mit fünf Nie- derlassungen auf Sumba, zwei auf der Nachbarinsel Timor und zwei in Ost-Timor. „Wir haben die Men- schen in den Dörfern aufgesucht“, erzählt Sr. Martha. „Es gab keinen Arzt auf Sumba, ich habe jedenfalls in den ersten acht Jahren keinen Mediziner gesehen. Alles haben wir selbst gemacht, auch die Geburts- hilfe. Zeitweilig hatte ich bis zu vier Geburten pro Nacht. Einmal wurde ich in ein Haus gerufen. Das Kind war scheinbar tot, als wir ankamen. Man hatte es schon beiseitegelegt.

Doch ich stellte fest, dass es nur nicht abgesaugt worden war und noch lebte. Sie können sich vor- stellen, was das für eine Freude war, als es zu atmen begann. Jedes Mal, wenn ich später in dieses Dorf kam, wurde diese Geschichte von neuem erzählt.“ Die weiten Strecken legten die Ordensfrauen zu Pferd, später auf dem Motorrad zurück. Kraft für die harte Arbeit gab ihr das Gebet. „Ich mochte einen großen Baum besonders, dem man in der Trockenzeit die tiefe Verwurzelung im Boden ansah, so dass er über- leben konnte. Unter diesen Baum habe ich mich immer gestellt, um mein Gebet auch so tief zu ver- wurzeln. Das hat mir zum Leben geholfen.“ Später zog der Orden die beiden deutschen Schwestern aus Sumba ab. Sr. Martha übernahm ein Haus in Freiburg, dann die Pflegedienst- leitung des Seniorenhauses Serafi- ne, das 1967 von der Kongregation gegründet worden war. Was die ,Sumba-Schwestern‘ erlebt hatten, war für ihre unter deutschen Ver- hältnissen arbeitenden Mitschwes- tern kaum nachvollziehbar. „Mit Gott neben mir schaffe ich alles“ – Schwester Margarita von den Missionsschwestern ‚Unserer Lieben Frau von Afrika‘ lebte siebzehn Jahre in Zaire (heute: Demokratische Republik Kongo) „Sind Sie bereit für den Kongo?“ Der Anruf der Generaloberin er- wischte Schwester Margarita kalt. Ja, sie hatte um die Versetzung in die Mission nach Afrika gebeten,

Ende 1958 waren die ersten drei Schwestern nach Sumba ge-

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