Cellitinnen 1_2020

Kultur | Freizeit

„Langsam, langsam!“ – Urlaub auf Sao Tomé – Entschleunigung auf afrikanisch

Ehemals bedeutender Kaffee- und Kakao-Exporteur und portugiesi- sche Kolonie, ist das Land nach dem Abzug der Portugiesen 1975 in einen Dornröschenschlaf ver- fallen. Die Infrastruktur ist aben- teuerlich. Die Schlaglöcher sind so groß, dass man darin baden kann. Viele Straßen enden im Nichts. Es gibt keine Geldautomaten, ständig fällt der Strom aus und das Inter- net, sofern überhaupt vorhanden, zwingt einen zur Geduld. So wie einen alles in diesem Land zur Ent- schleunigung zwingt. „Leve, leve!“ (sinngemäß: Immer mit der Ruhe) ist das Motto der Einheimischen und nach diesem Rhythmus richtet sich das ganze Leben. Einige Tage später sitze ich in einem völlig heruntergekommenen, aber offensichtlich unverwüstlichen Suzuki Jimny: Wir haben mittler- weile einen Mietwagen. Der Kul- turschock sowie die erste Reifen- panne sind überwunden und wir haben einen Reiseführer engagiert. Aufgewachsen ist er im Dschun- gel und er ist einer der wenigen Einheimischen, der noch eine wei- tere Sprache als Portugiesisch spricht. Unser Weg führt durch verlassene Kolonialstraßen und kleine Fischerdörfer. Kinder laufen lachend hinter uns her und rufen: „Dos, dos!“ Sie wollen Süßigkeiten. Wir besuchen aus langem Schlaf langsam wiedererweckte Kakao- und Kaffeeplantagen, fahren immer

Die tropische Nacht fällt so plötz- lich wie ein schwarzer Vorhang. Wir steigen die Gangway herunter und die Eindrücke überfluten mich. 29 Grad und gefühlte 100 Prozent Luftfeuchtigkeit. Die Luft ist erfüllt von diesem spezifischen, leicht süßlichen Geruch der Tropen und flimmert unter dem gelben Licht einiger halb zerbrochener Schein- werfer, die nur spärlich den Weg zu einer dunklen Silhouette aus- leuchten, die das Flughafenterminal sein könnte. Wir folgen den anderen Reisenden in das heruntergekom- mene Gebäude. „Purpose ´f jour- ney?“, fragt der Uniformierte hinter dem Schalter. „Tourism“, antworte ich, und wir hören die vertrauten Geräusche vom Blättern in Formu- laren und Stempeln. Von draußen dringt Stimmengewirr in die Warte- halle und durch die geöffnete Tür kann ich ein Gewimmel aus Autos und Menschen erkennen. Ich frage

einen der vermeintlichen Flughafen- mitarbeiter: „Taxi seguro (sicher)?“ Er zeigt nur schulterzuckend auf einen der Männer, die in diesem Moment in die Wartehalle drängen. Ich gehe auf ihn zu. „My friend, my friend!“, ruft er mir strahlend ent- gegen: „Followme!“ Wir folgen ihm in die finstere Schwüle einer afri- kanischen Nacht bis an das Ende des Parkplatzes zu einem uralten Cabrio. Dinge die man in Afrika nie tun sollte: „Niemals zu unbekannten Männern nachts in ein unautorisier- tes Taxi steigen!“, schießt es mir noch durch den Kopf, während ich heimlich das Nummernschild foto- grafiere und den Preis verhandele. Das Abenteuer beginnt.

Die Zeit ist stehengeblieben

Wir sind auf Sao Tomé im Golf von Guinea, einem der kleinsten und ärmsten Länder des Kontinents.

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