Cellitinnen 2_2018

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Die ‚Robin Hoods‘ der Pflege Ein Plädoyer für mehr Anerkennung

lässig um den Hals geschlungenes Stethoskop aufpeppte. Niemand, kein Arzt und kein Angehöriger, hätte es gewagt, sie respektlos anzugehen oder gar zu verklagen, denn sie genossen ein schier un- begrenztes Vertrauen. Sie waren nicht mal Stationsleitung. Das woll- ten sie auch nie, Karriere machen, aber jeder vertraute sich so einer erfahrenen Krankenschwester ein- fach gerne an. Ich frage ich mich heute, Frühjahr 2018, ernsthaft, wo das Vertrauen in die Pflegenden und der Respekt vor ihnen geblieben sind. Fachlich sind sie besser als Anne und Mari- anne – heute heißen sie Verena, Maryam oder Marcel –, weil zum einen die Pflegeausbildung über die Jahrzehnte noch komplexer wurde, so dass allein der Anatomiebereich locker als Vorstufe zum Medizin- studium durchgehen könnte. Zum anderen fordern neue Themen die Berufsträger täglich auf, fachliche Höhen patientengerecht zu erklet- tern, wie beispielsweise die Pflege hochaltriger, demenziell veränderter Menschen oder die post-intensiv- medizinische Versorgung. Nett und gut ausgebildet sein reicht nicht mehr. Pflege ist nicht einfacher, sondern komplizierter und auf- wändiger geworden. Doch warum fühlen sich viele Pflegende heute weniger wertgeschätzt denn je?

Niemand möchte sich heute sagen lassen, von gestern zu sein. Doch heißt es nicht für die Pflege, dass früher alles besser war, dass Pfle- gende heute Opfer und Angeklagte des Systems seien? Nichts würde imGesundheitswesen laufen, wenn es nicht Pflegende gäbe, die unter den Dächern von Kranken- und Se- niorenhäusern, von Hospizen oder ambulant in den Wohnungen Men- schen medizinisch auf das Beste versorgen würden. Seitdem ich während der Studienzeit vor über dreißig Jahren in der Pflege aushel- fen durfte, habe ich viele Pflegende kennen und schätzen gelernt.

und Schwester Marianne, die auf einer Pflegestation im Kölner Os- ten ihren Dienst versahen. Von der Statur her höchst unterschiedlich, die eine klein, rundlich und lieb, die andere groß, hager und zackig, verkörperten sie das Koordinaten- system unseres Pflegealltags. Mit einer hohen Fachlichkeit ausgestat- tet, einem respektablen Auftreten und ausgeprägten Organisations- geschick, lenkten sie Ströme von Examinierten, Auszubildenden und Aushilfskräften wie mich, in jeder Situation das Richtige für die Be- wohner zu tun. Mit ihrer großen Menschenliebe hätten sie sich für die Bewohner zerreißen lassen und sie arbeiteten mit einer tiefen Zufrie- denheit in der Pflege. Zeichen ihrer beruflichen Würde war die stets makellose weiße Berufskleidung, die Sr. Marianne noch durch ein

Mitte der 80er Jahre

Sie waren wie Pat und Patachon, und am besten nicht in der gleichen Schicht eingeteilt, Schwester Anne

Vielleicht hat es schon mit der Ver- änderung der Berufsbezeichnung

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