Cellitinnen 2_2018

Glauben | Leben

einer frommen katholischen Fami- lie. Sowohl ihr Vater, wie ihr späterer Ehemann waren Katecheten und beauftragt, Missionare aus Europa zu unterstützen und zu begleiten. Gnanammas Ehemann Innaiah, mit dem sie fünf Söhne hatte, starb auf einer solchen Pastoralreise. Mit 37 Jahren, alleinstehend und frei von familiären Verpflichtungen, stellte sich die Witwe nun mit aller Kraft in den Dienst christlicher Nächs- tenliebe. Vor allem war sie davon beseelt, elementare und religiöse Bildung für junge Mädchen zu er- möglichen. Damals schien dies in Indien ein „unvorstellbarer Traum“, wie es die St. Anne-Schwestern in einer aktuellen Selbstdarstellung formulieren. Jedenfalls wurde 1863 durch Gna- nammas intensives Bemühen eine erste Mädchenschule in Kilacheri Realität, einemOrt etwa 40 Kilome- ter westlich von Madras gelegen. Dafür hatte sie ihren gesamten Be- sitz verkauft und war von Ort zu Ort gezogen, um Geld für dieses Werk zu sammeln. Bald fand Gnammana auch zwei Mitstreiterinnen, woraus sich die Idee einer neuen Ordens- gemeinschaft entwickelte, die dann im Oktober 1874 gegründet wur- de – noch kurz vor dem Tod von Gnanamma im Dezember des glei- chen Jahres. Pater Dieckmann führte dann in Phirangipurammit der ihm eigenen Durchsetzungsfähigkeit das Werk der Gründerin fort. Unbeirrt von den herrschenden Vorurteilen gegen- über der Bildung von Frauen gab Bildung für Frauen

Die Schwestern Kantha, Josefine und Theresa (v. li.)

er der wachsenden Gemeinschaft Struktur und Orientierung nach der Regel des Dritten Ordens des hl. Franziskus. Intensiv konzentrier- te er sich auf die Ausbildung der Schwestern zu Lehrerinnen für die weibliche Jugend. Das eingerich- tete Seminar stand bald in einem sehr guten Ruf mit dem Erfolg, dass die Regierung in der Provinzhaupt- stadt Madras darauf aufmerksam wurde. Es gelang dann bald auch, dass Schwestern staatlicherseits besoldet wurden, nachdem sie die vorgeschriebene Staatsprüfung ab- gelegt hatten. So entwickelte sich die Gemeinschaft noch zu Lebzei- ten Pater Dieckmanns Schritt für Schritt: Um 1900 hatten 27 der damals 37 Professschwestern die Lehramtsprüfung absolviert. Neben der Lehrerinnenbildungsanstalt ent- standen ein Pensionat, eine Tag- und Abendschule für Frauen und Mädchen, ein Waisen- und ein Wit- wenhaus. Nach dem Vorbild ihrer Gründe- rin wirken die Schwestern heute unter ihrem Motto „We proclaim Jesus“ – „Wir verkünden Jesus“

auf den verschiedenen Feldern so- zial-caritativer Dienste wie etwa der Krankenpflege und Gesundheits- fürsorge, der Hilfe für AIDS-Betrof- fene sowie in der Behinderten- und Altenarbeit. Nach wie vor ist die Erziehung und Bildung von jungen Mädchen, aber auch die Förde- rung und Unterstützung von Frauen im Mittelpunkt aller Bemühungen. Mutter Gnanamma hatte es ihren Nachfolgerinnen ans Herz gelegt, in besonderer Weise Frauen in allen Belangen zur Seite zu stehen. Etwa 510 Schwestern gehören der Kongregation an, die in 72 Nieder- lassungen tätig sind. 65 gibt es in Indien, je zwei in Italien und Afri- ka, mittlerweile zwei in Deutsch- land – neben Hersel seit 2017 in Leimen bei Heidelberg – und eine in Kansas, USA. Mutter Gnanamma wurde 2013 nach Aufnahme des Seligsprechungsprozesses der Titel einer ‚Dienerin Gottes‘ verliehen. Ihr Bestreben für die Mädchen- und Frauenbildung war zu ihren Leb- zeiten ein wahrhaft kühnes Unter- fangen, umso mehr ist es wichtig, an ihr Lebensvorbild zu erinnern.

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CellitinnenForum 2/2018

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