Cellitinnen 2_2018
Glauben | Leben
Wort und Mensch Sich pflegen lassen bedeutet, Hilfe annehmen
Gern wird sie in der Fastenzeit ge- lesen, die Geschichte vom barm- herzigen Samariter, der einen Über- fallenen auf dem Weg von Jericho nach Jerusalem findet, seine Not wahrnimmt und für ihn sorgt. Eine tolle Aufgabe! Doch ein kurzes Feedback einer Bewohnerin brach- te mich auf einen neuen Gedan- ken,: „Was meinen Se denn, wie der sich fühlt, all das anzunehmen, was der fremde Samariter da macht? Ich wäre lieber gestorben, als Hilfe anzunehmen.“ Geben ist seliger als nehmen, heißt es (Apg 20,35). Auch Hilfe geben und Hilfe nehmen sind zwei höchst unterschiedliche Hal- tungen. In einem wichtigen Punkt hat sie also recht, die alte Dame: Zu jedem, der mit Hingabe pflegt, gehört auch jemand, der das an sich geschehen lässt. Ist es eine Frage der Generatio- nen, wenn manche jungen Leute fast schon euphorisch im Internet posten, dass sie sehr angetan wä- ren von ein paar Tagen krank sein, immer verbunden mit: sich versor- gen lassen, Leckereien gereicht bekommen, die Verantwortung für eine Zeit abgeben? Können junge Menschen es besser zulassen, ge- pflegt zu werden? Dagegen höre ich viele ältere Menschen, die die aufgezwungene Passivität des Sich-Pflegen-Lassens mit Abhän- gigkeit, Statusverlust und Ernied- rigung gleichsetzen; die sich lieber morgens Stunden am Waschbe- cken selbst abmühen mit der täg-
lichen Pflege als jemand anderes auch nur hilfreich in die Nähe zu lassen. Weil ich es mir irgendwann nicht mehr aussuchen kann? Weil es nicht freiwillig, sondern durch die eigene stärker werdende Hin- fälligkeit geschieht, dass ich sagen muss: „Bitte helfen Sie mir…“ – möglichst ohne Gesichtsverlust! Wenn ich, Mitarbeiterseelsorgerin Maria Adams, in die Pflegeschulen schaue, erlebe ich dort zum Glück junge und ältere Menschen, die sich gerne und mit Leidenschaft für den Pflegeberuf ausbilden las- sen. Wenn sie dann ein Piercing in der Lippe haben, und diese Lippen mich trotzdem liebevoll fragen, wie sie mir helfen können; wenn der Arm, der zu meinem Wohlbefin- den den Waschlappen schwingt, ordentlich tätowiert ist, aber mir gereicht wird, dass ich mich selbst aufsetzen kann, dann wächst da auch Respekt, Liebe zu Menschen und Raum, sich in der Pflege anzu- vertrauen. Meine Generation (63er Jahrgang) darf ruhig schon mal an- fangen mit dem Annehmen und dem Wachsen lassen…!
Vincent van Gogh: Der barmherzige Samariter
Lukas 10,30–35 Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Je- richo hinab und wurde von Räu- bern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halb tot liegen. Zufällig kam ein Pries- ter denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter. Auch ein Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter. Dann kam ein Mann aus Samarien, der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Am andern Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.
Maria Adams
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