Cellitinnen 3_2015
Glauben | Leben
Demenz – eine ethische Herausforderung Patienten, Pflegende und Gesetzgeber sind aufgerufen, zeitig zu handeln
Im Jahr 2030 soll die Zahl der pflegebedürftigen Personen auf 3,4 Millionen ansteigen, viele davon mit einem Spektrum von demen- ziellen Veränderungen. Ethische Herausforderungen in der Versor- gung dieser Menschen brauchen schon jetzt unser Augenmerk auf mehreren Ebenen. Der Fokus der ersten Ebene sind unsere Patienten und Bewohner: Wie helfen wir ihnen im Umgang mit der eigenen Unsicherheit, die durch die zunehmende Demenz auf sie zukommt? Wie helfen wir ihnen, mit den vielen kleinen und großen Verlusterfahrungen umzugehen, die eine Demenz mit sich bringt? Wie lernen wir, sie wertzuschätzen und was lernen wir für uns selbst durch ihre zunehmende Schwäche und Verletzlichkeit? Eine der wichtigsten ethischen Fragen ist jedoch, wie wir unse- ren Patienten und Bewohnern der Seniorenhäuser helfen können, frühzeitig schon Entscheidungen zu treffen, bevor sie am Ende ihres Lebens durch den Verlust ihres Denkens nichts mehr für sich selbst entscheiden können. Ein wichtiges Prinzip der klinischen Ethik ist die aufgeklärte Einwilligung in Operatio- nen oder andere medizinische Be- handlungen. Als zukünftiger Patient mit Demenz kann die relative Auto-
nomie dadurch bewahrt werden, dass wir uns schon lange im Voraus Gedanken machen, welche Ein- griffe oder lebensverlängernden Maßnahmen wir ablehnen oder befürworten. Diese werden dann in einer Patientenverfügung nie- dergeschrieben. Viel wichtiger ist jedoch, dass wir mit Menschen unseres Vertrauens das Gespräch suchen und unsere Wünsche dis- kutieren und genau darlegen, da- mit diese dann als unsere Bevoll- mächtigten in unserem Sinne mit den Ärzten zusammen entscheiden können. Die zweite ethische Ebene unserer gesellschaftlichen Verantwortung liegt in der Unterstützung von pfle- genden Mitarbeitern und Angehö- rigen. Schon jetzt werden über die Hälfte aller pflegebedürfti- gen Menschen in Deutschland zu Hause gepflegt. Emotionale und körperliche Überlastung und Isolation vom sozialen Leben sind nicht selten die Folge für die Famili- en. Eine Hilfe, mit diesen Belastungen umzugehen, sind die vorsorgenden Ent- scheidungen des Patienten für das Ende des Lebens, damit die Betreuenden nicht selbst hinterfragen müssen, was der mutmaßliche Wille des Patienten gewesen sein könnte.
Die dritte Ebene unserer gesell- schaftlichen Verantwortung im Blick auf die sich rasant ändernde Patientendemografie ist die zeit- nahe Umsetzung von Gesundheits- reformen, wie die Ausweitung der spezialisierten ambulanten Palliativ- versorgung (SAPV), die Anpassung der Pflegeversicherungen und eine angemessene Vergütung für Pfle- geberufe. Unsere christlich-huma- nistische Handlungsweise gegen- über dem menschlichen Leben in allen seinen Lebensphasen wird ein ausschlaggebendes Beispiel sein für zukünftige Generationen im Umgang miteinander. Dr. Sylvia Klauser
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