Cellitinnen 3_2017

Medizin | Betreuung

Die Sprache des Herzens Bessere Beziehungen durch ‚Gewaltfreie Kommunikation‘

Eine Frau betritt eilig den Kranken- hausflur. Am Mitarbeitertreffpunkt hält sie inne, ruft der jungen Pfle- genden, die dort am Computer sitzt, laut zu: „Nun sagen Sie schon, wie geht es meiner Mutter?“ Die junge Frau schreibt konzentriert, hat einen Stapel Kurven vor sich liegen. Schweigend nickt sie der Angehörigen zu. Diese hat die stumme Begrüßung nicht registriert und schaut sich suchend um: „Ja, ist denn hier überhaupt niemand? Ich werde mich beschweren!“ Und so hastet sie weiter.

GFK neu wahrzunehmen und aus- zudrücken:

sind in den Zimmern mit der Pflege beschäftigt.

1. beobachte statt werte 2. drücke dein Gefühl aus 3. spüre dein Bedürfnis 4. sprich eine Bitte aus

Die GFK würde die Beteiligten auf- fordern, gut zu unterscheiden: Was genau beobachte ich vorurteils- frei und was werte ich direkt? Der nächste Schritt erfordert viel Praxis: Wer von uns ist schon in der Lage, in jeder Situation die eigenen Ge- fühle zu spüren und in Worten aus- zudrücken? Der Körper hilft dabei: Welches Kneifen im Bauch sagt mir, dass ich mich unwohl fühle, welche Kurzatmigkeit, dass Überforderung imRaum steht, welcher Kloß imHals teilt mir die eigene Traurigkeit mit? Schritt drei geht noch etwas tiefer und fragt nach den dahinterste- henden Bedürfnissen: Ich möchte wahrgenommen werden, ich möch- te meine Arbeit gut machen. Dazu müssen sie als Wunsch formuliert werden, und zwar als offenes An- liegen, nicht als Vorwurf, als Unter- stellung oder gar als Drohung. Eine Frau betritt eilig den Kranken- hausflur und spricht die Pflegekraft, die konzentriert am Rechner ar- beitet, freundlich an: „Bitte ent- schuldigen Sie die Störung. Ich bin Frau... Ich mache mir große Sorgen um meine Mutter. Können Sie mir Auskunft geben?“ Worauf die junge Frau mit einem tröstenden Lächeln zum Telefon greift und sagt: „Das habe ich gemerkt. Aber ich glaube, meine Kollegin kann Sie beruhigen. Vorhin gab es gute Nachrichten. Moment...“

Das geschilderte Beispiel zeigt deutlich, dass sich die Situation – je nachdem wie man die Handlungen der Personen wertet – völlig anders darstellt. Die Besucherin erblickt die am Computer schreibende Pfle- gekraft und wertet eventuell: „Die tut nix, die spielt rum. Die sitzen

Die ‚Gewaltfreie Kommunikation (GFK)‘ nach Marshall Rosenberg möchte sowohl die Wege des Um- gangs als auch die der verbalen Kommunikation so verändern, dass Mitgefühl im Vordergrund steht, da jeder Mensch die eigenen Gefühle und Bedürfnisse spüren und äu- ßern kann. In vier Schritten fordert Rosenberg auf, sich mit Hilfe der

alle immer mehr vor demComputer. Wer kümmert sich hier eigentlich um die Menschen?“ Die Pflegekraft erfüllt ihre Dokumentationspflicht am Rechner und muss sich bei der Vielzahl der einzutragenden Werte stark konzentrieren. Natürlich hat sie die Frau kommen hören, hektische Schritte, wie sie wertet. Dafür hat sie jetzt gar keine Zeit. Ihre Kollegen

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