Cellitinnen 4_2014_051114-1

Titel Thema

das nicht. In Supervisionen lernen die Mitarbeiter, eine gesunde Dis- tanz zu den vielen Schicksalen zu wahren, ohne teilnahmslos zu sein. Viele haben Hobbys, bei denen sie gut abschalten können. Und sich auszutauschen hilft. Da sie ein ein- geschworenes Team bilden, fällt das nicht schwer. Viel anstrengender als die Pflege der Gäste sei die Auseinandersetzung mit deren Angehörigen. „Von laut ausgetragenen Erbstreitigkeiten, von Menschen, die ihre Ohnmacht kaum aushalten, der Mutter oder dem Partner nicht mehr helfen zu können, von Kindern und Eltern, die nicht gelernt haben, miteinander zu reden und die jetzt reden müssen, können wir viele Geschichten er- zählen“, seufzt Schwester Doris. „Die Angehörigen dazu zu bringen, loszulassen, Abschied zu nehmen erfordert viel Geduld und Finger- spitzengefühl. Unsere Gäste haben sich bereits mit ihrer Situation sehr intensiv auseinandergesetzt und sind ihren Familien da weit voraus. Manchmal sind sie es, die ihre An- gehörigen trösten“, ergänzt Martina Mann. Die Begleitung der Angehörigen hört mit dem Tod des Partners oder des Elternteils nicht auf. Re- gelmäßig treffen sich rund zehn bis zwölf Hinterbliebene zum Trauer- café. Schwester Doris betreut die Runde und hilft, einen neuen Ein- stieg in den Alltag zu finden. Dabei darf gelacht und geweint werden. Manchmal entstehen aus dieser Runde feste Freundschaften. Sogar

Christian Fiege und Ingried Wies, Ehrenamtler im Hospiz

ein Liebespaar habe hier zueinan- der gefunden.

Flügel für mich mit, die sie mir an- klebten, und schon flogen wir los.“ Es folgt ein Gespräch über Schutz- engel. Dabei wird in aller Ruhe weiter gewaschen, gekämmt und die Wunde neu verbunden. „Ich bin sehr zufrieden“, versichert mir Frau S. zum Abschied. Ingrid Wies und Christian Fiege engagieren sich im Hospiz ehren- amtlich. Christian Fiege hat im Le- ben viel Positives empfangen und möchte dafür etwas zurückgeben. Privat meditiert er regelmäßig und setzt sich intensiv mit dem Sein und dem Thema Loslassen aus- einander. Die examinierte Kran- kenpflegerin Ingrid Wies arbeitet Teilzeit in einem Seniorenhaus. An ihrem freien Tag engagiert sie sich im Hospiz. Menschen in Krisen zu begleiten, diese Stärke hat sie für sich entdeckt. Die tiefgründigen Gespräche mit Gästen, anderen Ehrenamtlern und Mitarbeitern sind es, die diesen Einsatz für die beiden so wertvoll machen. „Hier haben wir noch die Zeit, uns wirklich um die Menschen zu kümmern“, meint IngridWies. Ehrenamtler erfüllen die großen und kleinen Wünsche der Hospizgäste. Sie erledigen Einkäufe für sie, gehen mit ihnen spazieren oder sind einfach für sie da. Der Trä- Ehrenamtler

Fürsorge

Im Hospiz wird nichts mehr ge- macht, umdas Sterben aufzuhalten. Erleichtern möchten die Pflegemit- arbeiter den letzten Weg der ihnen Anvertrauten. Bei Frau S. steht wie jeden Tag Verbandswechsel und Körperhygiene auf dem Plan. Die alte Dame ist krebskrank, bett- lägerig und leidet an einer Form von Alzheimer im Frühstadium. „Nein, sehen Sie wieder gut aus“, begrüßt sie Martina Mann, als diese zusammen mit Pflegeschülerin Josi das große Zimmer betritt. Rund eine Stunde nehmen sich die Mitarbeiterinnen Zeit, um Frau S. behutsam frisch zu machen. Dabei kommen die Frauen ins Klönen. Über die Familie von Frau S. und die beiden Enkelkinder, die ihr gestern die Stofftierelefanten mitgebracht haben, und über ihr Lieblingsstoff- tier ‚Schatzi‘, das Frau S. mehrfach herzt. In Sichtweite stehen Fotos der Kinder und Enkelkinder. Behut- samwird Frau S. eingecremt, denn angenehm zu duften ist ihr wichtig. Sehr gut geschlafen habe sie und einen schönen Traum gehabt. „Fünf Schutzengel sind gekommen, um mich zu holen. Sie hatten extra

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