CF_2020_2

THEMA

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Zur Beschreibung des Digitalisierungsgrades eines Krankenhauses wird international EMRAM (Electronic Medical Records Adoption Model) ver- wendet, welches in sieben Stufen eingeteilt wird. Die höchste Stufe 7 entspricht dem vollständig papierlosen Arbeiten INFO

ken ist der digitale Wandel eine feste Position. So können wir im Verbund das Thema sehr systema- tisch und mit Rückendeckung angehen. Pasche : Aus der Projektgruppe heraus haben sich kleinere Arbeitsgruppen, sogenannte ‚Think Tanks‘, gebildet, die an klar vorgegebenen The- men arbeiten. Der IT-Lenkungsausschuss, dem neben Herrn von der Horst ein weiterer Kranken- haus-Geschäftsführer, ein Kaufmännischer Direk- tor, der Leiter des DLC IT und die Bereichsleite- rin der DLC´s angehören, behält den Überblick, priorisiert die Einführung von Systemen, und di- rigiert die Projekte. Darüber hinaus verlassen wir uns nicht auf die Module großer Anbieter, sondern ziehen für überschaubare, kleinere Probleme jün- gere Unternehmen, also ‚Start-ups‘, hinzu. Dabei nehmen wir in Kauf, dass nicht jede Lösung zu uns passt. Wir sind bis zu einem gewissen Grad experimentier- und risikofreudig. Wie sieht es mit dem Einsatz künstlicher Intelli- genz (KI) in Krankenhäusern aus? Von der Horst: Da gibt es sehr vielversprechende Ansätze wie die Unterstützung der radiologischen

Diagnostik oder das digitale Netzhaut-Screening bei der Diagnose von Diabetes. KI wird mit Zu- schüssen gefördert, allerdings fehlt für den Ein- satz in Kliniken der gesetzliche Rahmen. Außer- dem müssen die digitalen Systeme einer Klinik erst stabil stehen, bevor an den Ausbau der KI gedacht werden kann. Von der Horst : Es ist gut, dass Spahn die Dinge vorantreibt. Schön wäre im Bereich digitaler Wandel ein einheitlicher, verlässlicher Standard, damit die Kliniken Investitionssicherheit haben. Zum Beispiel bei der elektronischen Patientenakte. Wir gehen mit Spahn, aber er muss den Kliniken bitte auch die fi- nanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Pasche : Stattdessen werden den Krankenhäu- sern im Moment eher die Mittel gekürzt, zum Bei- spiel wenn die Anschlussversorgung eines Pati- enten nicht gewährleistet ist und er deshalb länger in der Klinik bleiben muss. Sie haben an unseren Bundesgesundheitsminis- ter Jens Spahn einen Wunsch frei!

tragen zu seiner Sicherheit bei. Den digitalen Wandel in unseren Einrichtungen selbst erfährt der Patient beispielsweise im St. Franziskus- Hospital, wenn er im Internet auf der Grundlage des Systems ‚Doctolib‘ einen Termin in einer der Fachabteilungen bucht. Vieles wäre bereits heute möglich, wie das Auslesen in den Kliniken der auf Fitnessarmbänder oder Gesundheit-Apps gespei- cherten Vitalparameter. Doch sind die technischen Möglichkeiten da schneller als der Gesetzgeber. Wie anwenderfreundlich sind die Systeme? Von der Horst : Unser KIS wurde, wie im Übrigen alle gängigen Systeme, vor 20-25 Jahren ent- wickelt. Da bastelte Steve Jobs noch an seinem iPhone und Technik war noch nicht intuitiv, also selbsterklärend. Die Systeme sind sehr stabil, hin- ken aber in der Anwenderfreundlichkeit hinterher. Von der Horst : Einige Dinge haben wir ja bereits genannt. Außerdem erscheint es mir wichtig zu erwähnen, dass Digitalisierung bei uns ein strate- gisches Unternehmensziel ist. Das bedeutet: Die Geschäftsführer tragen den Wandel nicht nur mit, sondern treiben ihn voran. „Digitalisierung beginnt im Kopf“ – das ist sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinn gemeint. Im Budget der Klini- Wo hebt sich die Hospitalvereinigung in puncto Digitalisierung von anderen Kliniken ab?

wurde im St. Marien-Hospital zunächst die ‚digitale Fieberkurve‘ und später die digitale Medikationsan- ordnung eingeführt. Alle für die Behandlung relevan- ten Informationen für Ärzte und Pflegefachkräfte aus der digitalen Patientenakte laufen hier zusammen, zum Beispiel die Vitalwerte des Patienten (Blut- druck, Puls, Medikation). Das Dienstleistungscenter (DLC) IT führte dann auf der Intensivstation des St. Vinzenz-Hospitals die ‚digitale Intensivkurve‘ ein, die über die üblichen Vitalwerte hinaus unter anderem Informationen zur Herzfrequenz, Blutgassättigung und Atemfunktion direkt von den Medizingeräten er- fasst, anzeigt und speichert. Darüber hinaus haben die Mediziner Zugriff auf die Vorerkrankungen, Ope- rationsdaten und verordnete Medikamente. Im Hei- lig Geist-Krankenhaus wird die ‚digitale Fieberkurve‘ gerade für die operierenden Fachbereiche ange- passt. Gleichzeitig arbeiten die Mitarbeiter des DLC IT dort an der Einführung des Medikationsmoduls in das KIS, das Ärzte und Pflegefachkräfte dabei un- terstützt, falsche Dosierungen oder unerwünschte Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu vermeiden. Die Wuppertaler Einrichtungen, die in den letzten Jahren stark mit An- und Umbauten be- schäftigt waren, planen, die erprobten Systeme der beiden Kölner Häuser zu übernehmen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Parick von der Horst

Von der Horst : Alle diese Systeme arbeiten für den Patienten nicht sichtbar im Hintergrund und

Stefan Pasche

Grafik: iStock

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CellitinnenForum 02 | 2020

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